3 Vintage Portrait Tipps für den ultimativen Look

Vintage Portraits sind immerwährend. Denn wenn du durch Instagram und andere Plattformen scrollst und Ausschau nach den Trends im Bereich der Portraitfotografie hältst, wirst du den „Vintage Look“ ganz bestimmt vorfinden.

Vintage Portraits Look
(@Robin Wiese, alphashooting.com)

Der Vintage Look

Es klingt eigentlich absurd, man kauft sich die neusten Kameras und Objektive, um dann mit dem Ziel zu fotografieren, die Bilder aussehen zu lassen, als würdest du mit einer 50 Jahren alten Kamera fotografieren. Doch genau das ist es, was den Reiz von Vintage Portraits ausmacht. Echte Momente einfangen, die bestenfalls aussehen, als wären sie direkt und absolut ungestellt in der Situation entstanden. Denn dieses Gefühl können Vintage Portraits besser vermitteln, als die meisten anderen Stilrichtungen.

Einmal mit dem Vintage Look angefangen, hat es mich gepackt und seit dem hat sich mein komplettes Portfolio mehr oder weniger in eine „Vintage-Galerie“ verwandelt. Ich werde dir anhand von drei wesentlichen Tipps ein paar hilfreiche Informationen, die ich in den letzten Monaten dazu sammeln konnte, mit auf den Weg geben.

vintage portraits frau lehnt sich an tuerrahmen mit sonne im hintergrund
(@Robin Wiese, alphashooting.com)

Wie sehen die Bilder von früher aus?

Wenn du dir frühere Bilder im Allgemeinen anschaust, wird dir schnell auffallen, dass sich diese Fotos teils grundlegend von den heutigen Bildern unterscheiden. Die Bilder von Damals wirken eher weitwinklig, oft blass und etwas verrauscht. Ausserdem ist der Kontrast meist nicht sonderlich gross und helle Bereiche im Bild bilden oft eine Art „Lichthof“, der in die dunklen Bereiche des Fotos abstrahlen. Hinzu kommt, dass es einfach noch nicht den extrem unscharfen Hintergrund gab, wie man ihn heute von Objektiven wie beim 105 mm 1.4 oder 135 mm 1.8 kennt. Diese Merkmale gilt es also für gelungene Vintage Portraits nachzumachen.

Um diese ganzen Effekte bei aktuellen Kameras zu erzeugen, benötigst du ein paar Tricks. Denn um ein wirklich glaubhaftes Vintage Portrait zu erschaffen, reicht es nämlich meist nicht aus, wenn du einfach einen Filter über deine Bilder legst. Du solltest darauf achten, dass die verschiedenen Faktoren, wie Bildausschnitt, Brennweite, Tiefenschärfe und auch die Location den Vintage-Look unterstreichen und nicht dagegen wirken.

#1 Das richtige Equipment

Die meisten von uns haben wahrscheinlich viel zu gute und neue Kameras, um von Haus aus Portraits im Vintage Look zu machen. Dabei spielt es keine Rolle ob du eine Einsteiger DSLR oder ein absolutes Profiequipment hast. Die heutigen Bildsensoren sind allesamt so hochauflösend und bei entsprechendem Licht so Rauscharm, dass die Bilder, wenn sie direkt aus der Kamera kommen, absolut keinen Vintage Look versprühen. Deswegen wird unsere Aufgabe sein, eine gute Basis für Vintage Portraits zu kreieren.

Der finale Vintage Look wird dann anschliessend in der Bildbearbeitung erzeugt. Es gibt natürlich immer die Möglichkeit mit alten Kameras, oder adaptierten alten Objektiven zu fotografieren, um spezielle Vintage Looks zu erzeugen. Diese Alternativen möchte ich aber bewusst ausklammern, da ich selbst nur ungern auf den doch wirklich präzisen Autofokus meiner Sony a7r3 verzichte. Und ich natürlich allgemein die Vorteile einer aktuellen Kamera mit den Möglichkeiten in der Bearbeitung zu schätzen weiss.

Geeignte Objektive für Vintage Portraits

Das schöne an dem Vintage Look ist, dass du keine teure Festbrennweiten brauchst, um Vintage Portraits zu machen. Du kannst also getrost zu einem normalen, etwas weitwinkligem Standardzoom (oder Kitobjektiv) greifen. Ich selber fotografiere Vintage Portraits am liebsten mit dem 24-70 2.8 von Sony. Dabei fotografiere ich aber eigentlich nur im Brennweitenbereich zwischen 24 &50 mm (bezogen auf Kleinbildsensoren), um den Hintergrund nicht allzu arg zu komprimieren. Bilder im starken Telebereich (ab ca. 85 mm) und einem extrem unscharfen Hintergrund wirken nämlich nicht sehr Vintage.

vintage portraits vertrauemtes portrait einer frau im rollkragenpullover
(@Robin Wiese, alphashooting.com)

Lichthöfe erzeugen

Um die oben beschriebenen Lichthöfe zu erzeugen, gibt es mir drei bekannte Möglichkeiten.

  1. Die „Bastel“ Variante: Dazu brauchst du einen gewöhnlichen UV-Filter in der entsprechenden Grösse für dein Objektiv und etwas Haarspray. Sprühe mit dem Haarspray einen Stoss in die Luft und schwenke den UV-Filter durch den Sprühnebel. Dadurch bilden sich kleine Kristalle auf dem Glas, die das Licht brechen und so für einen Lichthof sorgen. Nachteil dabei ist, dass das ganze relativ unberechenbar ist und die Ergebnisse je nach aufgetragener Menge an Haarspray sehr stark variieren können.
  2. Mit der Bildbearbeitung: Öffne das Bild in Photoshop und wähle nur die hellen Bereiche aus. Diese legst du dann auf eine extra Ebene und zeichnest sie danach weich. Nachteil: sieht manchmal etwas künstlich aus. Dauert lange und muss für jedes Bild einzeln gemacht werden.
  3. Mit einem Schraubfilter: Meiner Meinung nach die einfachste und schnellste aber leider auch die teuerste Methode. Im Prinzip macht dieser Filter nichts anderes, als die Variante mit dem UV-Filter und dem Haarspray. Der Filter besitzt auf der Oberfläche lauter kleine Punkte die das Licht brechen. Es gibt ihn in verschiedenen Stärken, wobei ich am liebsten 1/4 benutze. Der Effekt ist dann gut sichtbar aber noch nicht zu aufdringlich.
Kleiner Zusatz-Tipp

Kaufe den Schraubfilter mit dem maximal benötigten Durchmesser. Bei mir sind das 82 mm für das 24-70 mm. Dann mit günstigen Adapterringen an die eigenen kleineren Objektive adaptieren. Dadurch musst du den Filter nur einmal kaufen und kannst ihn aber für alle deine Objektiven verwenden.

Beim folgenden Bild siehst du schön den etwas geringeren Kontrast und den „nebligen“ Effekt, beziehungsweise die nebligen Highlights, die der Filter erzeugt. Diese Basis lässt sich später super in Vintage Portraits verwandeln.

frau sitzt auf stahltreppe und lehnt sich an in der abendsonne
(@Robin Wiese, alphashooting.com)

#2 Das Shooting

Wie schon beim Equipment, geht es auch beim Shooting selbst in erster Linie darum, ein gutes Basisfoto für die anschliessende Bildbearbeitung zu erstellen. Dies werde ich in den folgenden drei Schritten erklären.

Location

Um ein wirklich einheitlich überzeugendes Vintage Portrait zu erzeugen, ist es wichtig die Location darauf abzustimmen. Das Portrait wird insgesamt unstimmig wirken, wenn du beispielsweise in einem super modernen Stadtviertel, mit vielen Glasbauten oder einem modern eingerichteten Loft versuchst, Vintage Portraits zu machen. Meine Empfehlung für geeignete Locations ist:

  • Alte Häuser (indoor/outdoor)
  • Brücken
  • Aussichtstürme
  • Abgeerntete Felder
  • Museen
  • Gärten
  • Ein „älteres“ Schlafzimmer
  • Bücherei
  • Plattenladen
vintage portraits frau mit langen offenen haaren im nachthemd auf einem feld
(@Robin Wiese, alphashooting.com)

Das richtige Licht für Vintage Portraits

Wenn du eine Location suchst, denk immer auch an die Lichtverhältnisse vor Ort. Es bringt gar nichts, wenn du eine tolle Location findest, wo aber das Licht einfach nicht passt. Im Grunde genommen gelten dieselben Regeln, wie bei „normalen“ Portraits. Nicht zu dunkel, nicht zu harte Schatten und vor allem: Die Regel der goldenen Stunde beachten.

Bei Vintage Portraits muss meiner Erfahrung nach das Licht allerdings nicht immer ganz 100% perfekt sein. Aber je besser das Licht, umso einfacher hat man es anschliessend in der Bildbearbeitung. Ausserdem habe ich in der Vergangenheit gemerkt, dass Gegenlicht-Aufnahmen in Kombination mit dem „Tiffen Black Pro Mist Filter“ einen extremen Vintage Look versprühen, da dann die Lichthöfe zu einem richtigen Glow werden.

vintage portraits frau im sonnenlicht posiert auf einem staedtischen platz
(@Robin Wiese, alphashooting.com)

Kameraeinstellungen

Hier ist es wirklich wichtig eher weitwinklig zu fotografieren. Alles zwischen 24-50 mm funktioniert meiner Meinung nach immer sehr gut. Die Blende habe ich fast immer trotzdem komplett offen (in meinem Fall 2.8). Dadurch bekomme ich bei ca. 35 mm immer noch einen leicht unscharfen Hintergrund, was das Bild meiner Meinung nach etwas edler aussehen lässt, als wenn der Hintergrund komplett scharf ist.

Die Verschlusszeit ist bei Vintage Portraits wieder etwas spannender. Natürlich kann ganz klassisch mit einer 1/125s (oder je nach Helligkeit auch schneller) fotografiert werden. Bei Vintage Portraits ist es aber auch absolut kein Unding, wenn das Bild leicht verwischt. Ich persönlich experimentiere deswegen auch gerne mal mit Geschwindigkeiten von 1/10s oder sogar noch länger. Gerade wenn sich das Model bewegt, kann das zu spannenden Effekten führen, die mit der richtigen Bildbearbeitung dann auch wirklich gewollt rüber kommen und das Portrait ungestellt wirken lassen.

Wenn du all diese Punkte beachtest, wirst du überrascht sein, wie „Vintage“ die Ergebnisse bereits schon vor der Bildbearbeitung erscheinen.
Robin Wiese

frau haelt hand zur kamera mit nassen haaren an einem seeufer
(@Robin Wiese, alphashooting.com)

#3 Die Bildbearbeitung

Die Bildbearbeitung ist selbstverständlich sehr individuell und für jedes Bild etwas unterschiedlich. Ich werde dir dennoch meinen Vorgang in Lightroom zeigen, der meiner Erfahrung nach zu fast allen Bildern passt.

Am wichtigsten ist die Körnung. Gut und gerne lässt diese sich bei den meisten Bildern auf einen Wert um die 30 ziehen. „Größe“ und „Unregelmäßigkeit“ gerne auf 40-50 bzw. 60-70. Oftmals hatten die Bilder früher eine starke Vignette. Auch hier kannst du also gerne auf einen Wert um die -20 gehen. Die Teiltonung habe ich fast immer aktiv, um die Schatten etwas wärmer zu machen (Farbton 43, Sättigung 17)

teiltonung lightroom
(@Robin Wiese, alphashooting.com)

Den Kontrast fahre immer etwas zurück. Ausserdem fade ich die Schwarztöne sehr gerne. Dadurch wirkt das Bild nicht so brillant. Am besten geht das mit den Kurven. Auch den Farblook erstelle ich am liebsten mit den Kurven. Hier in den Screenshots zu sehen.

gradationskurve lightroom
(@Robin Wiese, alphashooting.com)

In den Grundeinstellungen würde ich immer etwas Kontrast rausnehmen (ca.-15) und im Gegenzug die tiefen Bereiche etwas nach oben schieben (ca. +10). Klarheit und Struktur unbedingt auf 0 lassen oder leicht ins Negative schieben.

grundeinstellung lightroom
(@Robin Wiese , alphashooting.com)

Wenn du einen passenden Farblook bzw. eine passende Einstellung erstellt hast, speichere es dir unbedingt ab, um bei den nächsten Bildern, aus dem nächsten Shootings, diese Einstellung als Basis für die Bildbearbeitung zu nehmen. Dadurch hast du einen guten Ausgangspunkt und legst dir damit gleichzeitig deinen eigenen Stil zu.

Fazit

Ich persönlich liebe es ab und zu Vintage Portraits zu machen, weil es mich zwingt umzudenken und komplett anders an ein Shooting heranzugehen, als wenn man für ein klassisches Portrait alles perfekt machen muss. Schärfe, Unschärfe, Fokus, Rauschen, all das muss bei einem Vintage Portrait nicht „on Point“ sein. Es geht hauptsächlich darum, Momente festzuhalten und den Vintage Look möglichst echt aussehen zulassen.

vintage portraits frau mit weissem leinentuch im feld draussen
(@Robin Wiese, alphashooting.com)
pixolum Autor und Fotograf Robin Wiese
Über den Autor

Robin Wiese ist 23 Jahre alt und selbstständiger Fotograf aus Überlingen am Bodensee. Nachdem Robin seine Ausbildung zum Industriemechaniker abgeschlossen hatte, bemerkte er, dass dieser Beruf auf Dauer nichts für ihn ist. Daraufhin hat er angefangen Mediendesign zu studieren und sich nebenher mit der Fotografie selbstständig gemacht. Nach 4 Semestern hatte Robin das Studium allerdings abgebrochen und beschäftigt sich seitdem Vollzeit mit der (Porträt-)Fotografie. Eindrucksvolle Arbeiten findest du auf der Website.

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