8 Tipps für Lange Belichtungszeit + häufige Fehler

Die lange Belichtungszeit hat in der Fotografie in den vergangenen Jahren zunehmend an Beliebtheit gewonnen. Es wird in Magazinen für Landschaftsfotografie viel darüber geschrieben. Ebenso wie auf Websites, auf denen Fotos geteilt werden. Mit der zunehmenden Anzahl Möglichkeiten durch zehnfache Neutraldichtefilter (ND-Filter oder auch Graufilter) auf dem Markt, ist es definitiv Zeit, sich dieser Seite der Fotografie zu widmen.

Allerdings entstehen beim Fotografieren mit solchen Filtern eine ganze Reihe Probleme, mit denen du bisher nicht konfrontiert warst. Dieser Artikel soll dir deshalb hilfreiche Tipps geben, die ich auf meiner Reise durch die Welt der langen Belichtungszeiten gesammelt habe.

lange belichtungszeit weiches wasser
Lange Belichtungszeit vor der Küste in San Francisco.

Lange Belichtungszeit: Kurze Theorie

Wie du sicher schon weisst, musst du bei der Langzeitbelichtung bei Tage oder in der Dämmerung einen ND-Filter einsetzen, damit dein Bild nicht überbelichtet wird. Ein Neutraldichtefilter sollte – wie es die Bezeichnung vorgibt – vor allem eines sein, nämlich neutral. Das heisst, diese Filter reduzieren Licht, ohne die Farben zu verändern. Sie sind homogen neutral grau eingefärbt, sodass die Farbwiedergabe nicht verfälscht wird.

Die Stärke des Filters wird als Verlängerungsfaktor der Verschlusszeit, kurz NDx angegeben. Jede Stufe eines variablen ND-Filters entspricht einer Verdoppelung der Lichtreduktion.

  • 1. Stufe = 21 = 2 => ND2
  • 2. Stufe = 22 = 4 => ND4
  • 3. Stufe = 23 = 8 => ND8
  • 10. Stufe = 210 = 1024 => ND1024

Ein recht gebräuchlicher 2-Stufen Filter (oftmals als ND4 bezeichnet) reduziert den Lichteinfall auf den Sensor um den Faktor 4. Bei einem 3-Stufen Filter bist du bereits beim Faktor 8. Und so geht es weiter bis zum 10-Stufen Filter, bei dem das Licht um den Faktor 1024 reduziert wird. Das bedeutet, dass die Belichtungszeit über tausendfach länger sein muss, als ohne Filter.

Einerseits ist das der Grund dafür, dass du seidenweiches Wasser oder seidenweiche Wolken am Himmel erhältst. Andererseits ist es auch der Grund, weshalb du deine Arbeitsweise anpassen musst, um mit der grossen Lichtreduktion richtig umgehen zu können.

Meine Tipps für eine Lange Belichtungszeit

1 Verwendung des Stativs

Ein Stativ ist für viele Landschaftsfotografen eine grundlegende Anforderung. Mit der Verwendung eines starken ND-Filters wird das Stativ unumgänglich. Belichtungszeiten können oft mehrere Minuten betragen, deshalb muss das Stativ so stabil wie möglich sein. Es muss auf einem festen und stabilen Untergrund stehen und sollte nicht ausgefahren sein. Ein allfälliger Tragriemen muss gut befestigt sein, damit er dem Wind keine Angriffsfläche bietet.

Oftmals wird empfohlen, die Kameratasche als Gewicht am Stativ aufzuhängen. Ich bin aber der Meinung, dass die Tasche sich auf diese Weise eher als Segel verhält und bei windigen Verhältnissen das Stativ instabil macht. Stattdessen lege ich einen kleinen Sack gefüllt mit rohem Reis auf die Kamera, um die Stabilität zu erhöhen. So mache ich die Kamera schwerer, ohne die Oberfläche signifikant zu vergrössern.

2 Manueller Fokus für lange Belichtungszeit

Der Filter blockiert das Licht. Ausser bei sehr hellen Lichtverhältnissen wird deshalb nicht genügend Licht auf den Sensor treffen, damit du den Autofokus verwenden kannst. Darum ist es am besten, das Bild und auch die Scharfstellung ohne Filter einzustellen. Wechsle erst dann zum manuellen Fokus damit der Autofokus keine neue Einstellung vornimmt und setze den Filter dann vor die Linse.

3 Korrekte Belichtungsmessung

Es ist wichtig, den Sucher der Kamera zu schliessen, oder zumindest abzudecken. Damit wird für eine genaue und korrekte Belichtungsmessung gesorgt, wenn du mit automatischen Einstellungen wie zum Beispiel der Blendenpriorität arbeitest. Ausserdem entsteht keinerlei Streulicht, welches während der Aufnahme die Automatik beeinflussen könnte. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob dieser zweite Punkt wirklich von Bedeutung ist, aber ich weiss, wie stark die automatischen Messungen durch einen offenen Sucher beeinflusst werden. Deshalb schliesse ich den Sucher grundsätzlich vor der Aufnahme.

Sternenhimmel mit langer Belichtungszeit
Sternenhimmel am Neujahrsabend 2017 (@Paul Gilmore, Unsplash.com)

4 Bulb Modus

Für Belichtungszeiten über 60 Sekunden musst du auf deiner Kamera den Bulb-Modus aktivieren. Durch das Wechseln auf den Bulb-Modus kannst du den Kameraverschluss für eine beliebige Zeit öffnen und sehr lange Belichtungszeiten ermöglichen. Das bedeutet insbesondere:

  1. Du wirst wahrscheinlich ein Kabel oder einen Funkauslöser für die Auslösung der Kamera benötigen. So kannst du den Verschluss für lange Zeit offen halten. Solch ein Kabel hat zudem den Vorteil, dass du beim Auslösen die Kamera nicht berührst und deshalb auch nicht bewegst. Befestige das Auslösekabel mit einem Klettverschluss am Stativ, um Bewegungen durch den Wind zu vermeiden.
  2. Du musst dich darauf vorbereiten, die Verschlusszeit für eine lange Belichtungszeit korrekt zu berechnen. In einigen Fällen ist die Berechnung ziemlich trivial. Wenn zum Beispiel die Belichtung ohne Filter 1/4 s beträgt, dann benötigen wir bei ND1024 0.25 s x ~1000 = 250 s, 250 s / 60 = ~4 Minuten. In anderen Fällen kann die Berechnung aber schwieriger werden. Ausserdem können die Lichtverhältnisse recht schnell ändern. Eine App für die Berechnung ist deshalb sinnvoll und hilfreich. In unserem anderen (etwas ausführlicheren) Artikel zur Langzeitbelichtung haben wir zwei tolle Apps verlinkt.

5 Optimale Umweltbedingungen

Ideale Bedingungen für eine lange Belichtungszeit sind beispielsweise bei lockerer Bewölkung mit starkem Wind gegeben. Bei wolkenlosem Himmel oder bei Windstille gibt es nichts, um Bewegung zu erzeugen, so werden keine neuen Effekte entstehen. Ich bevorzuge die Tageszeit beim Sonnenaufgang oder beim Sonnenuntergang. Die Sonne steht tief am Himmel und verstärkt den Kontrast der Wolken. Das führt zu einer verstärkten Streifenbildung im schlussendlich entstehenden Bild.

6 HotPixel entfernen

Selbst mit einem tiefen ISO-Wert kann bei langer Belichtungszeit ein Bildrauschen in Form von Hot Pixeln entstehen. Vielleicht kannst du das auf dem LCD Bildschirm deiner Kamera nicht erkennen, aber auf deinem Computer Monitor in voller Grösse wirst du dann verschiedene helle rot/grün/blaue Pixel in deinem Bild finden.

Unsere Fotoausrüstung

Du fragst dich mit welcher Ausrüstung wir fotografieren? Hier findest du unser Equipment.

Ausrüstung anzeigen

Eine wirksame Lösung um diese Stellen zu entfernen ist die Aufnahme eines Bildes mit identischer Belichtungszeit, allerdings mit zugedeckter Linse. Die Hot Pixel werden in allen Bildern identisch sein, fast wie ein Fingerabdruck deines Sensors. Wenn du also dein Bild mit zugedeckter Linse erneut aufnimmst, erhältst du ein komplett schwarzes Bild, auf dem nur die Hot Pixel zu sehen sind. Die Entfernung dieser Stellen in der Nachbearbeitung wird so wesentlich einfacher. 

7 Farbstich

Es ist bekannt, dass einige Filtermarken einen Farbstich auf dem schlussendlichen Bild hinterlassen. Das ist einer von vielen guten Gründen, deine Bilder im RAW Format aufzunehmen. Ein Farbstich kann oftmals in der Bildnachbearbeitung korrigiert werden. Insbesondere bei sehr langer Belichtungszeit kann es aber passieren, dass der Farbstich sich nicht korrigieren lässt. In diesen Fällen ist eine Umstellung auf ein Schwarz-Weiss-Bild meist die beste Lösung.

8 Bildkomposition

Eine lange Belichtungszeit kann eine schlechte Bildkomposition nicht kompensieren. Tatsächlich wird der Frust über das Ergebnis in Anbetracht des betriebenen Aufwandes grösser ausfallen, als bei einem normalen Bild.

Sonnenuntergang am See
Abendstimmung an einem See (@Quang Nguyen Vinh, Pexels.com)

Hausaufgabe für Fortgeschrittene

Hast du Lust auf einen Foto-Challenge? Versuche ein HDR-Bild mit langer Belichtungszeit zu machen. Hoffe, du bekommst es besser hin als ich 🙂

Wasserfall mit langer Belichtungszeit
Wasserfall mit langer Belichtungszeit und HDR (@Public Domain Pictures, pexels.com)

Abschliessende Gedanken

Ich habe hier einige nützliche Punkte ausgeführt, die für eine lange Belichtungszeit mit einem Neutraldichtefilter oder Graufilter zu berücksichtigen sind. Du wirst schnell lernen, diese Punkte in deinem Arbeitsablauf zu integrieren und zu deiner persönlichen Routine zu machen. Ich bin der Ansicht, dass Aufnahmen mit langer Belichtungszeit mehr Planung, Überlegung und Bearbeitung benötigen, als andere Genres. Aber wenn man sich die atemberaubenden Ergebnisse ansieht, ist der Aufwand gerechtfertigt.

Wenn du zusätzlich Tipps oder Bemerkungen zu diesem Thema hast, hinterlasse einen Kommentar. Ich freue mich über Rückmeldungen.

pixolum Autor und Fotograf pixolum
Über den Autor

Patrick ist der Gründer von pixolum und versorgt dich seit 2012 mit spannendem Fotografie-Stoff. Neben seiner Leidenschaft für Kameras & Design unterstützt er kreative Köpfe beim Aufbau ihres Business. Er trinkt jeden Tag 7 Kaffees aus der pixolum Tasse, ist absoluter SEO Nerd und beginnt mehr, als er zu Ende bringen kann.

1 Gedanken und Fragen

  1. Sonja

    Danke für die tolle Erklärung!!

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