Industriefotografie: Tipps für ansprechende technische Fotos

Industriefotografie kann eine echte Herausforderung sein. Wie inszeniert man zum Beispiel Anlagen oder ganze Werkshallen, die an sich womöglich nicht unbedingt ästhetisch aussehen? Entscheidend ist in erster Linie, was erzählt oder gezeigt werden soll. Danach sind zwei Faktoren wichtig: Die Wahl der Perspektive und die Auswahl des Motivs. Gegebenenfalls erhöhen zusätzliche Effekte (Licht, Nebel, Bewegungsunschärfe) die „Hingucker-Qualität“. In diesem Beitrag erfährst du, wie du all diese Faktoren optimal umsetzt. 

Industriefotografie Anlage
Auch technische Geräte können ästhetisch in Szene gesetzt werden. (@Markus Breig)

1. Orientierung

Überlege vorab, welches Equipment du benötigst

Wenn man als Spezialist für Industriefotografie eine Werkshalle betritt, ist man zunächst erschlagen von den vielen Impressionen. Es ist ein Durcheinander aus Technik, Kabeln, Rohren. Man muss sich erst einmal sortieren und mit dem Auftraggeber besprechen, was hier überhaupt passiert. Nur so kann man feststellen, ob es Sinn macht eine Totale, Details oder beides anzufertigen. Das sollte am besten vorab geschehen, um besser planen zu können. Überlege dir, was du an Kameraequipment, Licht, Assistenten oder sonstigem Zubehör brauchst. Gerne verwende ich Smartphone-Fotos zur besseren Erinnerung bzw. Planung.

Wer oder was soll abgebildet werden?

Mitunter müssen Gegenstände verändert oder wegbewegt werden. Manchmal müssen sogar ganze Teile (Gitter, Bodenplatten u.a.) montiert oder wegmontiert werden. Es ist wichtig, das vorher zu entscheiden, damit der Kunde genügend Zeit hat, diese Arbeiten vorzunehmen. Bei der Industriefotografie ist man gerne versucht, nur an Totalen zu denken, um möglichst viel von der Anlage erklären zu können. Wenn du aber feststellst, dass es unwichtige Elemente gibt (Schaltschränke, grundlegende Stromversorgung), kannst du dich auch auf die Details einlassen.

Klären sollte man auch, ob z.B. mit Hitze oder Kälte gearbeitet wird. Das könnte evtl. entscheiden, ob man mit bestimmten Lichtfarben arbeitet. Auch sollte man klären, wer auf das Bild soll. Manchmal sind bestimmte Personen dem Kunden wichtig oder der Fotograf selbst entscheidet, wie viele Personen er optisch unterbringen kann. Auch die Unterbringung von beweglichen Accessoires (Gabelstapler, Transportwägen, Fahrzeuge) sollte vorab besprochen werden.

Industriefotografie Werkshalle
Überlege vorab, welche Elemente für das Industriefoto wichtig sind. (@Markus Breig)

2. Beleuchtung in der Industriefotografie

Wahl des Lichtsettings

Zunächst schaue ich mir das vorhandene Licht an (Hallenbeleuchtung, einfallendes Tageslicht, Eigenleuchter). Daraufhin entscheide ich, ob ich nur das vorhandene Licht nutze. So werden ca. 80% aller Industriefotografien gemacht: hell und schnell, was mit heutigen Digitalkameras kein Problem darstellt. Mit einem Stativ kann ich lange genug belichten oder die ISO kann ich eh „hochschrauben“. Die Farbigkeit der Lichtquellen wird durch den Weißabgleich eh glatt gebügelt. Leider sieht das meist eher langweilig und unspektakulär aus.

Daher unterstütze ich manchmal das vorhandene Licht mit Zusatzlicht. Dieses hellt technisch z.B. dunkle Stellen auf und sorgt für interessante Effekte. Es kann auch den Blick auf bestimmte Stellen lenken, die für die Erzählung wichtig sind. Dazu gehört nicht viel: Oft genügt ein Kicker über Rücken, Schulter und Kopf des Models, um Tiefe und Atmosphäre zu erzeugen. Wenn ich zusätzlich Lichtfolien benutze, habe ich das Motiv um einiges interessanter gemacht.

Realitätsgetreu oder künstlerisch?

Oder ich schließe jedes vorhandene Licht aus und leuchte die Anlage komplett durch. Allerdings ist das oft organisatorisch schwierig, vor allem wenn im Rest der Halle noch gearbeitet wird und das Raumlicht benötigt wird. Auch arbeitet man dann gerne in der Dunkelheit, was aber ausgiebiger Absprachen bedarf, weil Mitarbeiter unter Umständen spät am Abend zugegen sein müssen.

Ich muss mich auch entscheiden, ob die Industriefotografie „natürlich“ aussehen soll, sodass der Betrachter denkt „So könnte es real in der Halle aussehen“ oder ob ich etwas Neues schaffe: etwas Künstliches, das zum Hinschauen einlädt, auch wenn es nicht real sein kann.

Industriefotografie Nebel
Auch durch Nebeleffekte kann man ein außergewöhnliches Industriefoto erschaffen. (@Markus Breig)

Beleuchten

Ich setze das Keylight oder Hauptlicht an die Stelle, die für mich am wichtigsten ist. Danach richtet sich alles andere Licht (Aufhellung, Gegenlicht, Kicker, Effektlichter, Practicals). Will ich den Hintergrund klar und hell, muss ich dort ebenfalls Licht platzieren. Oder ich lasse die Umgebung schwer und dunkel (wenn der Hintergrund unschön aussieht, voller Kabel, Rohre, Durcheinander und Flecken).

Beachten muss ich dabei jederzeit, wo später Personen stehen werden. Ob man mit Softboxen oder mit hartem Licht arbeitet, entscheidet das Setting bzw. wie sehr ich mich auf bestimmte Bereiche fokussieren möchte. Kleine gezielt gesetzte Scheinwerfer setzen Akzente, sind aber schwierig zu überblicken. Es braucht auch Zeit, um diese aufzubauen, zu verstecken und zu verkabeln. Große Lichtflächen (Softboxen) machen größere Bereiche schön hell und gut sichtbar.

Wie wirkt verschiedenes Licht in der Industriefotografie?

Bei großen Metallflächen (z.B. große Stahlbehälter) könnte man glauben, dass viel Licht auch viel heller macht. Aber das ist nicht so: Ich bekomme im Behälter lediglich einen unschönen Lichtstreifen von der direkten Reflexion meiner Lampe. Hier muss man weiße oder silberne Flächen einspiegeln, oder auch mal schwarze Flächen, wenn man eine störende Reflektion unterdrücken möchte. Gegenlichter, die starke Schatten nach vorne werfen sorgen gerne für eine interessante optische Dynamik. Unterlicht macht Anlagenteile eher mystisch.

Blitzanlagen oder Kunstlicht?

Ob man Blitzanlagen oder Kunstlicht verwendet, hängt davon ab, was der Fotograf besitzt und bevorzugt. Blitzanlagen haben mit wenig Aufwand mehr „Wumms“. Wenn es akku-betriebene Geräte sind, entfallen auch meterlange Kabel, die gerne Stolperfallen sein können. Daher ist es sehr wichtig, Kabel zu verkleben oder anderweitig zu sichern. Nicht nur, dass es teuer wird, wenn man einen Blitzkopf umreißt, das kann auch lebensgefährlich für Umstehende werden.

Kunstlicht hat den Charme, dass ich direkt sehe, was ich leuchte. Ich weiß dann nur nicht, ob die Lichtstärken ausreichen, vor allem im Zusammenspiel mit allen anderen Scheinwerfern, dem vorhandenen Licht und den Practicals. Dafür kann ich Glühlichter oder HMIs verwenden, ich muß lediglich die Lichtfarben beachten. Zwar bügelt der Weißabgleich einer modernen Kamera Lichtfarbendifferenzen gnadenlos nieder, aber mitunter sieht man doch Unterschiede. Dies gilt vor allem bei HMI versus Glühlicht.

Industriefotografie Anlage zentriert
Die Wirkung von Industriefotografien hängt stark von der Beleuchtung ab. (@Markus Breig)

Stromversorgung und Sicherheit beachten

Auch sind heutige Leuchtstoffröhren nicht mehr so extrem farbstichig wie vor über 20 Jahren. Viele Leuchtstoffröhren wurden mittlerweile durch LED-Lichtleisten ersetzt, bei denen ich aber manchmal einen leichten Stich ins Gelbe wahrnehme. Zur Not muss man sich die Mühe machen, Lichter zu ersetzen oder sie mit Korrekturfolien zu versehen. Oder man verzichtet auf sie. Schwieriger ist da schon eine ausreichende Lichtmenge zur Verfügung zu haben und diese dann mit Strom zu versorgen.

Glücklicherweise sind Werkshallen oft mit Starkstromanschlüssen ausgestattet, sodass Strommenge und -anschlüsse kaum ein Problem darstellen. Das Verkabeln ist aufwändig und man muss stets achten, die Kabel gut zu verstecken (es sei denn man sitzt unwahrscheinlich gerne am Monitor, um das alles wegzuretuschieren). Auch da gilt immer wieder: „safety first“. Man sollte auch darauf achten, welche Lampenstärken und somit -mengen man an die Stromversorgung anschließen darf.

Safety first!

In der Industriefotografie musst du unbedingt darauf achten, dass die Sicherheit gewährleistet ist! Achte zum Beispiel beim Verkabeln darauf, dass keine Stolperfallen entstehen. Rolle Kabeltrommeln stets aus, damit keine Überhitzungs- und Brandgefahr besteht! Bei der Beleuchtung solltest du zudem beachten, welche Lampenstärken du an die Stromversorgung anschließen darfst.

3. Mit Practicals Akzente setzen

Practicals unterstützen die Stimmung des Bildes oder lenken den Blick des Betrachters. Das sind Lichter, die sich im Bild befinden und nicht für die Lichtsetzung bzw. Belichtung nötig sind. Sie setzen einfach nur Akzente. Entweder ich benutze Lichter, die sich in der Anlage befinden oder ich baue sie extra hin. Das können Leuchtstoffröhren (Astera, Aparo, KinoFlo), LED-Lichtleisten oder professionelle LED-Lichter (Panels, Mini-Panels, Leisten) sein. Mit Farb- oder Korrekturfolien kann ich die Lichtfarben noch beeinflussen.

4. Das Model platzieren

Schließlich wird kurz vor dem Shooting das Model platziert. Dabei ist zu beachten, dass die Tätigkeit der Person klar zu sehen ist.

  1. Die Haltung sollte natürlich aussehen, ohne dass etwas Maßgebliches verdeckt wird.
  2. Der Blick sollte konzentriert und dennoch entspannt sein. Es ist die Aufgabe des Fotografen, das Model genau dahin zu bringen.
  3. Die Augen sollten zu sehen sein, außer das Model hat eine Schutzbrille o.ä. auf.
Industriefoto Mensch
Die Haltung der Models in der Industriefotografie sollte natürlich und entspannt sein. (@Markus Breig)

Ist das Model platziert, gerne mehrere Belichtungen machen, während man die Position immer wieder ein wenig korrigiert. Auch sollte das Model selbst Positionen anbieten, oft weiß man als Fotograf nicht, was eine für das Arbeiten „richtige“ Haltung ist. Aber man sollte immer im Blick haben, ob aus dem Kopf im Hintergrund ein Rohr oder ein Kabel „herauswächst“.

Mehrere Personen abbilden

Werden bei einer größeren Totale mehrere Models platziert, sollte man genaue Regieanweisungen vornehmen. Die Personen sollten in ihren Arbeitsposen verharren, aber dennoch natürlich und „in action“ aussehen. Im Zweifel lässt man die Personen etwas tun oder einfach nur von A nach B laufen (da ließe sich dann auch eine eventuelle Bewegungsunschärfe gut nutzen).

5. Nachwort

Eine Nachbearbeitung in Lightroom oder Capture One wird sicherlich jeder auf seine eigene Art vornehmen. Darauf möchte ich jetzt hier gar nicht eingehen. Zum Schluss möchte ich dir ein paar Tipps mitgeben, wie du eine Idealsituation in der Industriefotografie erschaffen kannst:

  • Bereite deine Aufnahmen sorgfältig vor! „Visualisiere“ dein Bild vorab.
  • Kläre im Vorfeld möglichst viele Fragen und Ungereimtheiten!
  • Führe ausreichend Material und gute Assistenten mit dir!

Wenn du all dies beachtest, wirst du ohne Stress und mit viel Freude ästhetisch ansprechende Industriefotos erstellen.

pixolum Autor und Fotograf Markus Breig
Über den Autor

Markus Breig ist seit 1992 Fotograf am Karlsruher Institut für Technologie mit den Arbeitsbereichen technische und industrielle Fotografie, sowie Presse und Portrait. Seit 1994 ist er zudem freischaffend im Bereich Werbung, Presse, Reportage, Theater, Musik und darstellender Kunst. Eindrucksvolle Arbeiten findest du auf der Website.

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